Künste fördern!HILDESHEIM IST ÜBERALL: Liebe Susanne, verrat uns doch zu Beginn einmal Deinen genauen Jobtitel!
SUSANNE STEPHANI: Der lautet: Referentin der Studienstiftung des deutschen Volkes im Berliner Büro. Für welchen Bereich bist Du in der Studienstiftung zuständig? Neben der allgemeinen Betreuung von rund 100 Stipendiatinnen und Stipendiaten hier in Berlin leite ich deutschlandweit die Förderung der Bildenden und Darstellenden Künste. Was machst du denn den ganzen Tag lang? Viel Zeit verbringe ich mit Gesprächen, entweder direkt oder per E-Mail, mit Stipendiaten, Dozenten, Kooperationspartnern. Es ist ein Teil des Jobs, den ich sehr schätze, dass man mit sehr unterschiedlichen Personen zu tun hat, denen man meistens – und das ist das wirklich Schöne – Förderung zukommen lassen kann und sie unterstützen kann. Der Job bringt sehr viel Ermöglichendes mit sich. Man schafft Austauschräume zwischen Künstlern in den verschiedenen künstlerischen Disziplinen, zwischen Kunst und Wissenschaft. Neben der Beratung in der Förderung ist die Konzeption von Veranstaltungen ein weiterer großer Bereich: In diesem Jahr haben wir eine Tagung mit 60 Künstlern von Bildender Kunst, über Musik bis zur Darstellenden Kunst in der Europäischen Akademie für Musik und Darstellende Kunst in Montepulciano zusammen mit einem Dozententeam durchgeführt. Fragen nach künstlerischer und persönlicher Heimat waren hier ebenso Thema wie philosophische Fragestellungen nach der „Klinik der Gegenwart“. Entscheidest du selbst über die Stipendien-Vergabe? Nein. Die Studienstiftung beruft in den Künstlerauswahlen Fachjurys, und das ist ein weiterer Aspekt meines Jobs, der mir sehr viel Freude macht: Entwicklungen zu beobachten in den deutschen Kunsthochschulen und der Kulturszene, zu schauen wer ist da gerade an welcher Position, und Personen dann einzuladen, Teil der Jury zu werden. Ist die Aufnahmeprüfung vergleichbar mit der in Hildesheim? Man spielt etwas vor oder bringt eine Mappe mit und anschließend habe ich dann noch ein Gespräch? Ja, das ist in der Tat in den Grundelementen der Präsentation und des Gespräch so. Vorab senden die Künstler umfangreiche Bewerbungsunterlagen ein. Bei der finalen Jurysitzung findet z.B. in der Bildenden Kunst ein Rundgang und Gespräche an den Hochschulorten statt, in der Darstellenden Kunst gibt es ein szenisches Vorspiel, ein Gespräch mit der Jury und zum Abschluss eine Gruppenimprovisation. Und wie beurteilt ihr das dann? Welche Kriterien werden angelegt? Das ist sehr klar geregelt. Die Studienstiftung hat die Trias „Leistung, Initiative, Verantwortung“ als Entscheidungskriterien gesetzt. Zunächst geht es um eine fachliche Expertise. Bleiben wir einmal in der Darstellenden Kunst: Was sieht man auf der Bühne? Wie kann sich der Bewerber zu diesem Zeitpunkt im Studium bereits selbst auf der Bühne zeigen? Das Schöne daran ist, dass wir eine Jury haben, deren Mitglieder sowohl selbst als Künstler, als Schauspieler oder Regisseure, oder eben dadurch, dass sie an Hochschulen unterrichten, eine große Expertise besitzen, das zu beurteilen. Und in dem Gespräch kriegt man dann außerdem die weiteren Dimensionen mit, die der Studienstiftung sehr wichtig sind: Welche Initiative übernimmt die Persönlichkeit? Welche Verantwortung zeigt sie? Konkreter: Wie sehr guckt man über den Tellerrand hinaus? Was für eine Vorstellung von Theater hat man eigentlich? Was ist die Verantwortung von Theater in unserer Gesellschaft? Eine der Fragen, die immer gestellt werden, ist zum Beispiel: „Von welchem Theater der Zukunft träumen Sie?“. Die Frage scheint nur auf den ersten Blick einfach. Denn schnell merkt man dann doch, wie schwierig es ist, zu beantworten, was man sich eigentlich für ein Theater vorstellt – jenseits des Wunsches, dass man irgendwo engagiert wird. Aber als Hildesheimer kann ich mich nicht bewerben? Als Hildesheimer Kulturwissenschaftler kann man sich nicht über die künstlerischen Auswahlverfahren bewerben, allerdings für die Verfahren in den wissenschaftlichen Fächern. Die gute Nachricht ist, dass man von jedem Hochschulprofessor ganzjährig für diese Förderung vorgeschlagen werden kann. Und außerdem kann man zu Beginn des Studiums auch immer am Selbstbewerbungsverfahren teilnehmen. Jetzt aber nochmal zurück zu deiner eigentlichen Tätigkeit: Welche Themen beschäftigen Dich in Deinem Beruf? In meiner Tätigkeit darf ich zunächst Persönlichkeiten auf ihrem akademischen Weg begleiten. Und in der Auseinandersetzung mit den Studierenden lerne ich unglaublich viel. Darüber hinaus auch im Austausch mit Dozenten und den Fachjurys. Natürlich bekommt man zudem einen sehr guten Überblick über die Hochschulen in Deutschland und die Ausbildung von Künstlern. Das heißt auch, Diskurse zu begleiten z.B. auf Foren wie der Biennale Tanzausbildung. Meine Tätigkeit bestärkt mich jeden Tag darin, dass die Künste elementar wichtig sind für unsere Gesellschaft. Und es ist unabdingbar, die Künste zu fördern und damit ein freies Denken und künstlerischen Umgang mit gesellschaftlichen Themen in unserer Gesellschaft. Warum glaubst Du, dass Du die Stelle bekommen hast? Und welche Rolle spielte Hildesheim? Hildesheim war sicher ein großer Faktor. Weil man dort im Studium Projektarbeit leistet und Praktika in verschiedenen Institutionen machen muss. Dadurch bringt man Fähigkeiten und Fertigkeiten mit, die andere Absolventen nicht haben. Die Projektarbeit führte mich u.a. am Ende meines Studiums als Produktionsleitung einer Theaterinstallation deutschlandweit herum und wir haben für das Projekt einen Bundesförderpreis bekommen. Wie blickst Du auf Deine Zeit in Hildesheim zurück? Es war eine gute Zeit. Ich sehe es als Vorteil, dass es wenig Ablenkung gab und selten die Möglichkeit, wenn es im Studium nicht läuft, sich eine Parallelwelt zu schaffen wie etwa in Berlin. Insofern finde ich diese Fokussierung und dieses Auf-sich-selbst-zurückgeworfen-Sein im Studium eine große Qualität von Hildesheim. Kann sein, dass das jetzt so ein sich selbstbestätigendes Schönreden ist, aber eigentlich finde ich auch diese kleinen Strukturen sehr gut, die direkte Erreichbarkeit von Dozenten, Probemöglichkeiten und die Möglichkeit, Ideen schnell umsetzen zu können. Man kann etwas in klein erarbeiten, das man dann großzieht. Aber zugleich kann man auch unter Betreuung scheitern. Das alles ist sehr, sehr wichtig, denn es gibt ja in der Kulturwelt und Berufswelt später niemanden mehr, der einen an die Hand nimmt. Würdest Du rückblickend nochmal in Hildesheim studieren? Ja! Vielleicht würde ich es heute so machen, erst den Bachelor in Hildesheim und dann den Master im Ausland. In unserer Zeit hat man damals ein Auslandsemester gemacht. Ich war anderthalb Semester in Bologna. Im Vergleich zu anderen Hochschulen konnte man damals einfach angegeben, wohin man gehen wollte, und dann ging man auch dorthin. Das ist natürlich dann auch wieder diese große Chance der kleinen Universität, dass diese Plätze verfügbar sind. Und die Zeit in Bologna an der Universität war unglaublich bereichernd und prägend: Umberto Eco und Dario Fo lehrten dort – sie so direkt erleben zu können, das war schon eine unglaubliche Zeit. Du bist ja schon einen ganz schönen Weg gegangen. Aber was willst du mal werden wenn du groß bist? Ich hab das in der 10. Klasse beantworten müssen und da habe ich geschrieben: Kulturmanagerin. Und das tue ich auch –in Kombination mit Wissenschaftsmanagement. Sprich: Kulturwissenschaftsmanagement. Genau. Ich würde mir wünschen, dass es wie bei meiner jetzigen Stelle immer wieder Positionen gibt, bei denen ich einen ähnlichen Gestaltungsfreiraum habe und mit sehr, sehr spannenden Menschen zu tun habe und immer etwas dazu lerne. Und diese Möglichkeit Neues anzustoßen, dieser Gestaltungsspielraum, Themen zu suchen, tiefer zu gehen, sich mit Menschen auseinanderzusetzen, das steht für mich auch sehr für Hildesheim. Dass sich das dann in verschiedenen Formen zeigt, ob in der jetzigen oder in anderen Positionen, das wäre auch in Zukunft wunderbar. Hätte Dich Hildesheim auf irgendeine Art und Weise besser auf den Berufseinstieg vorbereiten können? Wenn ich einen Wunsch an Hildesheim hätte, wäre das, den Studierenden noch stärker Rollenvorbilder zu geben. Eine stärkere Rückbindung der Alumni, so eine Patenschaft, das fände ich ganz großartig, um als Alumna etwas zurückgeben zu können, angebunden zu sein und gleichzeitig einen Mehrwert für die Studierenden zu bieten. Gibt es irgendetwas, das du in Hildesheim nicht gelernt hast, wo Du heute denkst, es wäre gut, wenn Du das gelernt hättest, bevor Du in den Beruf gegangen bist? Man hat da, glaube ich, immer so Wünsche. Wenn man als Kulturwissenschaftler ins Management geht, fragt man sich immer, ob man nicht besser Jura und BWL studiert hätte. Das ist einfach so. Ich habe gern in Hildesheim studiert, genau an diesem Ort der Vermittlung von Theorie und Praxis. Und da geht es für mich im Job heute natürlich perfekt auf: Bildende und Darstellende Künstler, die noch im Studium sind, zu begleiten, zu schauen, wie man sie unterstützen kann, und gleichzeitig dies auch wieder in eine größere Öffentlichkeit zu vermitteln – da geht für mich das Hildesheimer Konzept von „Theorie-Praxis-Vermittlung“ wirklich sehr gut auf. Hätte es für deinen jetzigen Job auch einen anderen Weg in diesen Job gegeben? Ja! Zahlreiche. Wir sind in der Studienstiftung eine Kollegenschaft von Naturwissenschaftlern bis Historikern, Kunstwissenschaftlern und so weiter. Aber für das Künstlerprogramm ist es doch eigentlich ideal gewesen, oder? Ja! Liebe Susanne, vielen Dank für das Gespräch. |
Das Bewerbungsfoto von Susanne Stephani (Foto: privat)
Kaum verändert: Das aktuelle Porträt von Susanne Stephani als Referentin bei der Studienstiftung des deutschen Volkes e. V. (Foto: Nikolaus Brade)
KurzprofilReferentin der Studienstiftung des deutschen Volkes e.V.
Abschluss: Diplom-Kulturwissenschaftlerin (2009) Hauptfach: Literatur/Theater/Medien Nebenfach: Musik Bezugsfach: Philosophie |